NO SHAME IN HOPE
(Eine Jogginghose ist ja kein Schicksal)
von Svealena Kutschke
mit
Anna Eger
Sarah Siri Lee König
Jonas Pätzold
Jana Alexia Rödiger
Sylvana Schneider
Regie Simone Geyer
Bühne & Kostüme Mona Marie Hartmann
Dramaturgie Lea Seiz
Das ist das Happy End, oder? Luca, Carla und Linn sitzen in einem heruntergekommenen Imbiss und warten auf den Bus. Allerdings gibt es neben Pommes und Currywurst nur warmes Dosenbier. Zuvor sind sie in einer Klinik aufeinander getroffen, haben sechs Wochen gemeinsam Gruppentherapien besucht, sich im Solebad treiben lassen und Wunden geheilt. Jetzt sind die Jogginghosen abgelegt und funkelnde Pailletten bilden das Outfit der Wahl. Das muss also wirklich das Happy End sein!
Doch die Skepsis gegenüber der Welt bleibt, der Bus lässt immer noch auf sich warten und ein seltsames Reh steht telefonierend in der Gegend rum. Gleichzeitig flattern unzählige Briefe in den Imbiss. Briefe, die die deutsche NS-Vergangenheit mit sich bringen, da kann nur noch die Imbissverkäuferin weiterhelfen, die seit über 90 Jahren hinter diesem Tresen arbeitet und so auf alles eine Antwort hat.
Warum ist psychischer Schmerz in unserer Gesellschaft immer noch so tabu? Und sind Depressionen der einzige Weg, dieser „komplexen Beschissenheit der Dinge“ zu begegnen? Mit einer ordentlichen Portion Pommes, äh, Humor und Sprachgewandtheit erzählt Svealena Kutschke die Geschichte von vier Frauen in einer trostlosen Welt.
KRITIKEN
(…) keine Vorstadtkreuzung im Nieselregen, keine kaputte Ampel, kein trüber Ententeich zwischen den Hochhäusern und nicht einmal die Bushaltestelle. Vor der Visualisierung solcher Tristesse-Klischees verschont Ausstatterin Mona Marie Hartmann das Publikum. Stattdessen: Über der leeren Bühne hängen drei Frauen in den Seilen. (…) Mit einem Team, das auch dann mit großer Lockerheit agiert, wenn es sich direkt ans Publikum richtet oder sich per filmischer Projektion meldet, erreicht Regisseurin Simone Geyer am Theater Konstanz dennoch viel. (…) Simone Geyer zeigt keine Frauen, die sich arg neben der Spur befinden. Dass dies mit dem Text korrelieren kann, hält das Interesse an der Inszenierung wach.
Christa Dietrich, nachtkritik
Es ist keine Geschichte, die Kutschke hier erzählt, sondern ein Collagenteppich aus sich immer wieder neu zusammenfügenden Versatzstücken. Plötzlich passt das „Was kann ich denn dafür?“ frappierend genau zur Nazivergangenheit, und das Warten auf den Bus mutiert zur Metapher für eine kollektive Sehnsucht nach Erlösung. Hat man das Prinzip einmal verstanden, also den angestrengten Nachvollzug einzelner Sprechakte aufgegeben und stattdessen die Textfläche auf sich wirken lassen wie ein Stück Musik: Dann schälen sich daraus geistige Hologramme, verborgene Wunden erhalten Kontur.
Die körperlose, kapitalistische Wirtschaftsordnung erweist sich als Scheintherapie. Der Mensch darf sich darin als technischer Apparat fühlen, der nur mal ein bisschen Fehlermanagement benötigt. Gruppentherapeutische Gesprächsrunden: nicht viel mehr als notdürftige Reparaturmaßnahmen zur Wiederherstellung unserer Funktionstüchtigkeit. (...)
Dass es ein beklemmender, ja überwältigender Totentanz auf den Ruinen unserer Geschichte wird, liegt an einer Regie, die keine Bühneneffekte scheut. Aber natürlich auch an Schauspielern (das Quintett vervollständigt Jonas Pätzold als fremder Passant mit intermezzohaft eingestreuten Telefongesprächen), die den musikalischen Gehalt dieses Textes voll erfassen.
Dessen wichtigste Botschaft hämmern sie uns gleich mehrfach ein. Nämlich, dass „nichts, was du jemals getan hast, wirklich verschwindet“. Aber: „Du selbst verschwindest irgendwann schon!“
Johannes Bruggaier, Südkurier
“In Zeiten, da Rechtsextremismus überall neu erstarkt, ist das Stück aktueller denn je.”
Elisabeth Maier, Theater der Zeit
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